
FIDLEG und FINIG vor der Ständeratsdebatte
Das Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG und das Finanzinstitutsgesetz FINIG sind eng miteinander verknüpft und bilden wichtige Stockwerke in der neuen Finanzmarktarchitektur der Schweiz. Dabei findet ein Paradigmenwechsel statt, weg von den bisherigen „Regulierungssilos“ für einzelne Instituts- oder Produktekategorien, hin zu einer Gesetzgebung, bei der alle relevanten Marktteilnehmer erfasst werden und die Regulierung der risikobehafteten Tätigkeit im Vordergrund steht.
Zeitgemässer Anlegerschutz
Mit FIDLEG und FINIG erhält die Schweiz einen zeitgemässen Anlegerschutz, welcher an der Selbstverantwortung des mündigen Anlegers orientiert ist. Dabei steht die Konsolidierung bereits bestehender – allerdings über die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und diverse Rundschreiben verteilter – Pflichten klar im Vordergrund. Für viele Akteure im Markt wird sich das Pflichtenheft in der Praxis somit nicht massgeblich ändern. Von der Schaffung zentraler und auf Gesetzesstufe angesiedelter Rechtsquellen sind hingegen positive Auswirkungen auf die Rechtssicherheit zu erwarten. So ist es beispielsweise nicht mehr lediglich ein Bundesgerichtsurteil, auf das sich die ganze Branche betreffend Umgang mit Retrozessionen stützen muss, sondern ein verbindlicher, von einem breiten Konsens getragener Gesetzestext.
Mit FIDLEG und FINIG erhält die Schweiz einen zeitgemässen Anlegerschutz, welcher an der Selbstverantwortung des mündigen Anlegers orientiert ist.
Auch mit Hinblick auf die Wettbewerbs- und Exportfähigkeit der Schweizer Finanzindustrie sind positive Impulse zu erwarten. Ein florierender Schweizer Finanzplatz hängt auch stark vom Marktzugang im Ausland ab. Mit einer zügigen weiteren Behandlung und einer baldigen Umsetzung von FIDLEG / FINIG würde immerhin eine Basis dafür geschaffen.
Stand der Gesetzesberatungen und Analyse der Gesetzesentwürfe
Am 3. November 2016 wurde die Behandlung der Vorlagen FIDLEG und FINIG in der WAK-S abgeschlossen. Die beiden Gesetzesentwürfe wurden ohne Gegenstimmen bei je drei Enthaltungen gutheissen. Nach einer ersten Analyse der Gesetzesfahne kann eine über weite Strecken positive Bilanz gezogen werden. Dank einer konstruktiven Vernehmlassung und der aktiven Beteiligung von Banken sowie Verbänden konnten beim FINIG den wichtigsten Anliegen der Branche, insbesondere der Forderung nach einer prudenziellen Aufsicht über die unabhängigen Vermögensverwalter, Rechnung getragen werden.
Auch ins FIDLEG fliessen einige Anträge der Branche ein. Die Situation präsentiert sich nach einer ersten Betrachtung vor allem in den folgenden Bereichen etwas entschärft.
Die Anträge der Branche:
- Kundensegmentierung: Die Voraussetzungen für ein Opting-Out von vermögenden Privatkunden (vgl. Schwellenwert von CHF 2 Mio.) und von professionellen Kunden sind jetzt direkt im Gesetz geregelt.
- Informations- und Rechenschaftspflichten: Bei den Informationspflichten konnten gewisse Anpassungen im Bereich professionelle Kunden erzielt werden. Ferner besteht die Pflicht, Rechenschaft abzulegen, nur noch auf Anfrage des Kunden.
- Geeignetheit/Angemessenheit: Vereinfachung der Geeignetheitsprüfung und der Angemessenheitsprüfung. Es wurde klargestellt, dass sich die Eignungsprüfung nicht auf ein einzelnes Instrument, sondern auf die Finanzdienstleistung, d.h. Anlageberatung und Vermögensverwaltung insgesamt bezieht.
Retrozessionen: Hier wurde im Wesentlichen der Praxis des Bundesgerichts gefolgt. Der Kunde muss über effektive Beträge nur auf Anfrage informiert werden. - Strafbestimmungen: Die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen wurde auf nicht regulierte Finanzdienstleister eingeschränkt.
Bankengesetz (BankG) und Bankeninsolvenzbestimmungen: Keine Totalrevision des BankG. Die Bankeninsolvenzbestimmungen werden in einer separaten Vorlage (inkl. Vernehmlassung) gebracht. - FINTECH (neu): Die WAK-S hat eine Bestimmung zu FINTECH eingefügt. Die Erleichterungen sollen Markteintrittshürden verringern und die Rechtssicherheit für die Branche insgesamt erhöhen. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) wurde beauftragt, bis Anfang 2017 eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten.
Während die Verbesserungen überwiegen, gab es aus Sicht der Branche leider auch unglückliche Anpassungen beziehungsweise Streichungen sowie Minderheitsanträge, die es zu berücksichtigen gilt.
Streichungen sowie Minderheitsanträge:
- Ausbildung: Bei der Ausbildung hat die WAK-S die Verpflichtung zum Erlass von branchenspezifischen Mindeststandards gestrichen. Das ist aus Sicht der Branche zu bedauern.
- Zivilprozessrecht: Wie von der SBVg gefordert, wurden im Zivilprozessrecht die branchenspezifischen Regeln zum Prozessrecht, insbesondere die Klageerleichterungen durch Kostenerlass, die kollektiven Klagerechte sowie die Beweislastumkehr gestrichen. In diesem Bereich wurden allerdings seitens der SP Minderheitsanträge eingebracht.
- Haftung: Zwar konnten die Anliegen der Branche in der WAK-S platziert werden, es wurden aber bereits Minderheitsanträge seitens der SP und der CVP gestellt.
Die beiden Vorlagen sollten in der aktuellen Fassung mit wenigen weiteren Anpassungen von der Branche geschlossen unterstützt werden. Nur so können die langfristigen Interessen der Schweizer Finanzindustrie langfristig gewahrt werden.
Wie geht es weiter?
Nach der WAK-S wird sich der Gesamtständerat am 14. Dezember 2016 mit den Vorlagen FIDLEG und FINIG befassen. Es ist im Interesse der Branche, dass das parlamentarische Verfahren rasch abgeschlossen wird, damit die für den ganzen Finanzplatz wichtigen Gesetze zügig in Kraft treten können.